Sechs Menschen, ein gemeinsames Ziel. Sie alle wollen glücklich sein – und brauchen dafür den Tourismus. Doch geht das auch ohne ihre geliebten Inseln Bali und Nusa Penida zu zerstören?
Dieser Artikel ist Teil der Aktion #travelandcare.
Räucherstäbchenluft liegt über Sompang, einem Dorf im Nordwesten der Insel Nusa Penida. Steinhäuser und hinduistische Tempel säumen die schlaglochübersäten Straßen. Meterhohe Standarten aus Bambus neigen sich tief über die staubigen Wege, Fahnen aus bunten Tüchern baumeln herab.
Palmen, Bananenbäume, Riesenblumen
Das Dorf ist umrahmt von Bergen aus Dschungel. Kilometer entfernt sieht man das Blau des Indischen Ozeans schimmern. Es riecht nach Feuchtigkeit, nach Gewürzen, nach Rauch, nach Bali. An manchen Tagen lässt sich die Mutterinsel, als Schatten am Horizont erkennen. Ihr Vulkan verschwindet hinter Schleiern aus Wolken.
Mutter und Tochter – Kontraste
Zwölf km Ozean liegen zwischen dieser Insel und touristenüberlaufenen Orten wie Padang Bai auf Bali. Knapp 1,5 Stunden Fahrt. Ein Eintritt in eine andere Welt. Eine Welt ohne Massentourismus, eine Welt, in der die balinesische Kultur noch jeden Winkel der Insel ausfüllt.
Kein penetrantes „Transport, Transport?“, sondern Hupen zum Gruße, High 5 mit den Kids. Lächeln ohne Bedingungen. Nebeneinander, miteinander, auch mit der Natur, die auf dieser Insel so unglaublich ist, dass sie schnell zum Highlight unserer gesamten Reise avanciert.
Was macht den Unterschied?
„Viele hier wissen noch nicht, dass die Touristen Geld bringen“, erklärt uns Nyoman*. Der Manager der Raggae Bar am Hafen im größten Ort der Insel Sampalan ist froh, dass mittlerweile mehr Touristen nach Nusa Penida kommen. Doch mit ihnen komme das Geld und das verändere die Menschen.
Er setzt sich dafür ein, die Touristen nicht „abzuzocken“, wie er es nennt, den Strand sauber zu halten, und liegt damit regelmäßig im Klinsch mit einigen Dorfbewohnern. „They don´t care. It´s all about the money“, sagt er resigniert. Das Lied auf seinen Smartphone wechselt. „One song, one Prost.“ Er hebt sein Glas und lehrt den Arak in einem Zug.
„Geld allein macht nicht glücklich.“
Dass Tourismus Fluch und Segen bedeutet, weiß auch Gede*. „Natürlich brauchen wir alle Geld. Geld für Essen, für ein Haus, für die Schule unserer Kinder. Hier ist nichts umsonst“, sagt der Taxifahrer aus Ubud (Bali), seine Stimme wird lauter. „Und Jobs gibt es auch nicht, deshalb versuchen alle, irgendwas zu verkaufen. Manche übertreiben es. Doch Geld allein macht nicht glücklich“, betont er, sondern Gutes zu tun und seinem Herzen zu folgen. „Viele Menschen auf der ganzen Welt wollen immer mehr, aus kleinen Homestays werden riesige Resorts. Das macht unsere schönen Inseln kaputt. Sie verkaufen ihr eigenes Land an irgendwelche Investoren, und die bauen alles zu. Ihr Land werden die Menschen nie wiederbekommen.“ Er schreit jetzt fast.
„So wollte ich nicht sein.“
Die meisten wissen es nicht besser, erklärt uns Bagus aus Padang Bai (Bali). Auch er war mal ein „Schlepper“, wie die selbst ernannten Taxifahrer abfällig genannt werden, rannte Touristen hinterher, versuchte sie zu einer Fahrt zu überreden. Laut, grimmig. Bis er eine Schweizerin kennen lernte, die ihm half, sein eigenes Leben zu leben. „Das bist doch nicht du, hat sie zu mir gesagt. Sie hatte recht. So wollte ich nicht sein, dieser ganzer Konkurrenzkampf, der Neid, das war nichts für mich.“
Seine Bekannte half ihm, sein eigenes Homestay aufzubauen. Dort bietet er auch Kochkurse an, umsonst, weil er balinesisches Essen liebt und weil er den Besuchern seine Kultur näher bringen möchte. „Wenn alle glücklich sind, dann kommt das Geld schon von ganz allein.“
Laut dem Statistischen Amt Balis waren bereits 2013 über 480.000 Personen im Tourismus tätig. Das sind ein Viertel aller Beschäftigten. Die Zahlen wachsen stetig. 1987 gab es 5.000 Hotelzimmer auf Bali, im Juli 2012 waren es schon 90.000, so die Bali Tourism Agency.
Auf Bali leben knapp 4,3 Millionen Menschen. Jährlich kommen über 4 Millionen Touristen. Hochburgen wie Kuta, Seminyak oder Padang Bai sind stark verwestlich. Riesige Einkaufszentren, Burger King, Reklametafeln, Diskos. Das alles hat Palmen, Reisfelder, Tempel und bunte Dörfer vertrieben.
Nachhaltiger Tourismus in Indonesien: Auf Schatzsuche mit Sara
Sara Richter will niemandem die Schuld zuweisen und trotzdem weiß sie: „Wir beschweren uns manchmal, was mit den schönen Orten auf Bali passiert, und manchmal wissen wir nicht, dass wir durch das Buchen von Luxus-Hotels genau diesen negativen Tourismus unterstützen.“ Sara packt da an, wo sie helfen kann, gründete HSH Stay, eine Plattform, auf der Unterkünfte, Aktivitäten und Transportmöglichkeiten von Locals angeboten werden.
Dafür fährt sie quer über die indonesischen Inseln, geht auf Schatzsuche wie sie sagt. „Von außen sehen manche Homestays aus wie Bretterbuden und dann erwartet dich drinnen etwas ganz Besonderes. Davon gibt es noch so viele, ich kann gar nicht aufhören zu suchen“, schwärmt sie.
HSH Stay möchte das nachhaltige Reisen unterstützen und den Locals etwas zurückgeben. Deshalb flitzt die 30-jährige Deutsche mit den braunen Locken von A nach B, macht Fotos, führt Interviews, gibt Tipps und tüftelt währenddessen dreimillionen weitere Ideen aus – neben ihrem Hauptjob, der ihr das Geld zum Leben einbringt.
Sie sprüht vor Energie. Die Lust zu helfen, glitzert in ihren Augen. „Das Problem ist, dass die meisten Balinesen vom Marketing keine Ahnung haben. Sie drucken einen Flyer aus, heften es an einen Baum und wundern sich, dass der Regen alles wegspült und die Gäste ausbleiben. So werden die Reichen immer reicher und die, die nicht viel wissen, gehen unter.“
Zurück nach Nusa Penida
100 bis 200 Menschen leben in Sompang. Die meisten Bewohner arbeiten als Farmer, wenige besitzen ein eigenes Geschäft. Wir kaufen in einem offenen Steinhaus fünf Bananen und drei Milchbrötchen. Die Besitzerin zeigt auf einen Schein, 10.000 Rupien, kein Euro. Ihre Augen strahlen, liegen riesengroß in ihrem faltigen Gesicht.
„Den Menschen hier geht es nicht ums Geld, jedenfalls nicht um das Geld der Touristen. Sie wissen, dass sie arbeiten müssen, wenn sie etwas verdienen wollen“, sagt Putu. Der 28-Jährige wurde in Sompang geboren. Er liebt seine Insel, seine Nachbarn, das spürt man. Doch er weiß, gerade in der Zeit, in der kein Regen fallen will, und alles vertrocknet, wird es für die Farmer schwierig.
Wie Ayu und Putu loszogen, um ihr Glück in die Hand zu nehmen
Diese Zeit ist für Putu und seine Frau Ayu jedoch die beste. Die Touristen kommen, und mit ihnen Lust auf italienischen Kaffee und Smoothie Bowls, die Grundzutaten ihres eigenen Cafés, das „Penida Espresso“. Die Idee kam Putu während seiner Zeit als Barista auf Bali. Nach seinem Highschoolabschluss zog er auf die Nachbarinsel. Nicht freiwillig, wie er zugibt. „Hier auf Nusa Penida gibt es keine Jobs, weil zu wenig Touristen kommen.“
Angefangen als Tellerwäscher wurde er schnell zum Barista befördert. „Kannst du Kaffee machen?“, fragte ihn eines Tages sein Chef. „Ich sagte, ich weiß nicht, aber ich werde mein Bestes versuchen“, erzählt er schüchtern. Ein Mundwinkel zieht nach oben, er zuckt mit den Schultern, als wisse er nicht, womit er das verdient habe.
Also arbeitete er tagsüber im Café in der Touristenhochburg Kuta, abends beim Auslieferdienst um die Ecke. Über 14 Stunden am Tag, jahrelang. „Es war hart.“ Das Lächeln auf seinem Gesicht verschwindet. „Ich habe viel gearbeitet und trotzdem hat das Geld nur für Wohnung, Essen und Transport gereicht, es blieb nichts übrig. Das Leben in dieser Gegend auf Bali ist teuer, dreckig und laut“, murmelt er. „Ich war so müde.“
„I wanted to make them happy.“
Und dann wurden sie Eltern. Glück pur. Gleichzeitig wurde das Geld immer knapper, und das Leben noch anstrengender. Für ihren Sohn Gede blieb keine Zeit. Das war vor über zwei Jahren. Zwölf Monate später fasste Putu einen Entschluss. Er wollte seiner Frau und seinem Sohn mehr bieten als nur ein T-Shirt oder das tägliche Essen. „I wanted to make them happy.“ Wieder dieses Lächeln. Das Lächeln, das keines ist, mit Augen, die nur traurig sind.
Er bat seinen Vater um etwas Geld, zog mit seiner kleinen Familie zurück nach Nusa Penida und errichtete Anfang 2017 das Penida Espresso. Neben Barista-Kaffee bietet er Smoothie Bowls und Granola Parfaits an. „I wanted to make something different, not only Nasi Goreng or Cocktails.“ Und das tut er.
Dafür scheut er keine Mühen, röstet die Kaffeebohnen selbst, kauft alle zwei Wochen Bohnen, Milch und Granola in Bali ein, Dinge, die es auf Nusa Penida nicht gibt. Seine Sojamilch bezieht er vom Farmer nebenan. „Selfmade“, wie er stolz verkündet. Die Rezepte für seine „Rock Butter“ oder „Dragon Bowl“ tüftelte er mithilfe von YouTube mit seiner Frau in der Küche aus, die er sich mit seinen Großeltern, Eltern und seinem Bruder teilt.
Sein Café entstand in zwei Wochen. Schnell musste es gehen, das war wichtig, sagt er. Denn das Geld ging aus und nichts mehr rein.
Die Wände vom Penida Expresso sind kahl, ein Steingemäuer, quadratisch, vorn offen, bunt gestrichen, keine Bilder, keine Pflanzen. 4 längliche Holztische mit jeweils vier Stühlen davor. Ein bisschen selbst gebastelte Deko vor dem Eingang. Im ersten Moment nicht unbedingt das, was man unter gemütlich versteht.
Bis Putu aus der Küche tritt, sein ganzes Gesicht ein Lächeln. „Ich mag die Architektur eigentlich nicht, ich möchte es mehr dekorieren, mit einem Graffiti an der Wand“, erklärt er entschuldigend. Ayu strahlt schüchtern aus dem Küchenfenster.
Heute Morgen sind wir die einzigen Gäste. Es ist Hauptsaison.
Zwei dampfende Tassen Kaffee werden vor uns abgestellt. Die pürierten Früchte schimmern lila in der Kokosnussschale. Granola, Banane, weiße Kokoschips runden das Kunstwerk ab – ein Gemälde aus Tropenträumen. Putus Traum. Unser Traum.
For good luck
Heute klimpern in Sompang die Glocken. Die Trommeln wummern. Es ist Vollmond, Zeit für Zeremonien. Alle Menschen sind draußen. Familien schlendern zum nächsten Tempel, tragen bunte Röcke und weiße Tuniken. Männer einen Turban auf dem Kopf, Frauen bunte Blüten im geflochtenen Haar. Körbe voll Schälchen aus Bananenblättern liegen in ihren Händen. Sie sind gefüllt mit Blumen, Räucherstäbchen und Reiskörnern. Überall werden die Opfergaben abgestellt, vor Haustüren, Geschäften, Tempeln. For good luck, heißt es. Der Glaube ist da.
Und Putu glaubt auch. Nicht nur an sich, seine Familie, seine Religion, sondern auch an sein Dorf, seine Insel, die Touristen. Für das alles fährt er jeden Morgen um 6:30 Uhr von Sompang aus zu seinem Café. Um 18 Uhr geht es zurück. Montag bis Sonntag. Jeden Tag. Wenn Putu nach Hause kommt, ist es dunkel. Sein Sohn ist auf dem Weg ins Bett.
Sein größter Wunsch? Ein zweites Café in der Nähe seines Dorfes aufzubauen. Ganz aus Holz soll es sein, typisch balinesisch. Um die Kultur zu erhalten. Und seinen Sohn aufwachsen zu sehen.
*Namen geändert.
Wie ihr Bali, seine Menschen und den nachhaltigen Tourismus unterstützen könnt:
- Der Flug: Inlands- bzw. Kurzstreckenflüge vermeiden
- Die Unterkünfte: Homestays oder Guesthouses buchen anstatt Resorts oder Villen. Z. B. über HSH Stay oder AirBnB.
- Einkauf: Saisonale und regionale Produkte kaufen (ob Souvenirs oder Lebensmittel), Tante-Emma-Läden und Straßenstände bevorzugen.
- Müll: Versuchen, auf Plastik zu verzichten: Refill-Stationen aufsuchen, große Plastikkanister mit Wasser besorgen, keine Plastiktüten für den Einkauf verwenden, keine Strohhalme nutzen.
- Ressourcen schonen: Kurz duschen, Wasser nicht laufen lassen, Handtücher u. ä. nicht jeden Tag wechseln lassen, Lampen ausschalten, Klimaanlage nur im Notfall nutzen, …
- Kultur: Für die Kultur interessieren, sich dieser möglichst anpassen und sie auf jeden Fall respektieren. Auf eigene Faust die Gegenden erkunden, abseits der Touristenpfade, Dörfer und das „echte“ Leben kennen lernen.
- Natur: Die Natur intensiv erleben und ihr so wenig wie möglich schaden.
- Aufklärung: Viele Menschen wissen leider nicht, dass man Müll nicht im Meer oder am Straßenstand entsorgen sollte – sie lernen das nicht von ihren Eltern, und auch nicht in der Schule. Und so sind wir immer wieder entgeistert, wenn Plastikflaschen einfach über Bord geworfen werfen. Warum sie nicht aufklären und uns in diese Richtung engagieren …
Dieser Artikel ist Teil der Blogparade #travelandcare. Lasst uns gemeinsam unsere Herzensmenschen und -Orte unterstützen und nachhaltiges Reisen in den Blickpunkt rücken. Mehr Infos
Noch ein paar praktische Bali Reisetipps von mir
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Pingback: Unfluencer vs Overtourism - Reisedepeschen
Oh Kerstin, ich danke dir total für deine Worte und deine Gedanken dazu!!
Liebe SIna!
Dein Artikel stimmt mich traurig. Auch ich habe schon des Öfteren die negativen Seiten des Tourismus erfahren. Wie Du Nusa Penida und das Penida Expresso beschreibst, ist das noch ein echter Geheimtipp und ein Ort, den wir westlichen Reisenden als echten Schatz auftun würden. Das wenige Touristen gleichzeitig wenig Arbeit für die Einheimischen bedeutet ist uns im gleichen Atemzug meist gar nicht bewusst. Auf der anderen Seite verurteilen wir Orte, die inzwischen vom Massentourismus überrannt sind und vergessen, dass das Verhalten der Einheimischen dort ja nur eine logische Folge dessen ist, was wir tun. Schließlich möchte jeder etwas von dem Kuchen abhaben. Sehr schwieriges Thema! Gar nicht mehr zu reisen ist auch keine Lösung.
Aber ich denke, Du machst mit Deinem Artikel schon eine gute Ansage:
Go Local! Geh bei Einheimischen essen anstatt bei Mc Donalds, übernachte bei Ihnen anstatt im Luxusresort und versuche, Kontakt zur lokalen Bevölkerung zu bekommen. Nachhaltiger Tourismus ist wichtig. Schließlich wollen wir noch lange etwas von den schönen Orten dieser Erde haben.
Toller Denkanstoß!
Ganz liebe Grüße,
Kerstin